Privileg der Stadtbürger – das Braurecht
Damals gehörte zu den selbstverständlichen Privilegien der „Stadtbürger“ – neben dem Recht der Abhaltung von Wochen- und Jahrmärkten und der Ausübung von Handel und Gewerbe – besonders das Recht, Bier zu brauen.
Und die Handhabung der „Braunahrung“ wurde in unzähligen Dokumenten niedergeschrieben und präzisiert:
Wer wieviel und wann brauen darf , wo welches Bier ausgeschenkt und vorallem, welches Bier ganz bestimmt nicht ausgeschenkt werden darf, beschäftigte über Jahrhunderte die Gesetzeshüter. Und, dass diese Regularien einzuhalten waren, belegen die bis ins Heute überlieferten Anekdoten und Geschichten. Da wird von „Bierkriegen“ berichtet, die den Verlust des eigenen Bieres zur Folge hatten, wenn es „unrechtmäßig“ in eine Stadt mit eigener „Braugerechtigkeit“ verbracht wurde. Heute noch erinnert die „Bierpfütze“ zwischen Görlitz und Zittau an eine solche biervernichtende Auseinandersetzung zwischen diesen beiden Städten im Jahr 1490.
Biersuppe am Hofe und tägliches Nahrungsmittel im Volke
Bier galt aber auch als unentbehrliches, tägliches Nahrungsmittel und Nährmittel im Volke. Frühe Almosenstiftungen und Spenden an Arme, Schulen und Hospitäler oder Waisenhäuser beinhalten zumeist auch die Ausgabe von Bier. So bescherte die „Klosterspende“ von Herzog Moritz (1543) den Dresdner Armen alljährlich zu Fastnacht u.a. 9 Fass Bier aus der Hofkellerei. Im 15. Jahrhundert soll den Frauen nach Ihrer Niederkunft zur Stärkung ein „Sechswöchnerinnenbier“ verabreicht worden sein.
Liebchen, Karten, Sang und Bier.“
Im Meißner Land, so der Gelehrte, gebe es eine solche Vielzahl guter und vortrefflicher Biere wie in keinem anderen deutschen Gebiet.
Das sächsische Bier war sogar von solcher Güte, dass selbst die Herzöge von Bayern noch im Gründungsjahr des Münchner Hofbrau-hauses 1589 für ihren Bedarf das bessere „Zschopauer Bier“ aus dem Erzgebirge bezogen.
Die Quellen berichten, dass die stark eingebrauten, sächsischen Biere weit über Land vertrieben wurden, z.B. nach Magdeburg, Wien, Innsbruck, Prag und das ist bei den damaligen Transportkosten, die ein mehrfaches des Bierpreises ausmachten, eine beachtliche Leistung.
Erste deutsche Aktienbrauereien in Sachsen
Erste Schritte in der Marktwirtschaft
Das traditionelle Bierland Sachsen mit seiner Konzentration an Braustätten und entsprechendem Fachpersonal sowie der Liebe seiner Bewohner zum Bier erwies sich als sicherer Ansatzpunkt, die heimische Brauwirtschaft wieder zu entwickeln und zu festigen. Den Unternehmen, die aus eigener Kraft oder mit Unterstützung westdeutscher Partner in der Lage waren zu investieren gelang es, die "Durststrecke" des fehlenden Bierabsatzes zu überwinden und parallel dazu, neue Vertriebs- u. Marketingkonzepte zu entwickeln. Mit Anfangsinvestitionen in Schwerpunktbereiche der Brauereien und durch das Wissen und Können der Brauer wurde sehr zügig eine vergleichbar hohe Qualität und Ausstattung der sächsischen Biere erreicht. Bereits im Laufe des Jahres 1990 erfolgte die Hilfe westdeutscher Brau-Unternehmen nicht nur auf finanzieller Ebene, sondern auch mit intensiver Unterstützung durch Branchen-Fachleute. Die erzielten Erfolge beruhen in vielen Brauereien auf der sich ergänzenden ost-westdeutschen Zusammenarbeit, in deren Mittelpunkt das Engagement für das sächsische Unternehmen und seine Biere stand.
Politischer Auftrag: Versorgung der Bevölkerung
In den Zeiten der DDR wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Getränken – und insbesondere mit Bier – zum Politikum erhoben. Wenn es für den Brauereidirektor hieß: „zum Rapport in den Wirtschaftsrat“, war mit Gewissheit der Biernotstand ausgebrochen. Mit Ideenreichtum und enormen Organisationstalent mussten dann alle Kräfte aktiviert werden, um die Versorgungslücke binnen kürzester Frist schließen zu können. Und bei dem steten Personalmangel zu dieser Zeit, wurden dann für Sonderschichten, unabhängig von Qualifikation und Leitungsposition, alle greifbaren Arbeiter, Angestellten und Handwerker mobilisiert.
Wie die meisten Betriebe, wurden auch die Brauereien meist zwei- und dreischichtig ausgelastet und bis an und über die Kapazitätsgrenze gefahren, was sich natürlich auch in der Qualität des Bieres bemerkbar machen konnte. Investitionen erfolgten nur selten und meist in Prestige-Objekte. So war 1989 ein Großteil der Brauereisubstanz stark verschlissen und in desolatem Zustand.
Heute: Sächsische Biere legen weiter zu!
Heute baut Sachsen seine Spitzenstellung als Bierland Nr. 1 der neuen Bundesländer wieder aus. Dank der sächsischen Bierfreunde, die ihrem Durstlöscher aus den heimischen Gefilden wieder zunehmend die Treue halten, und der steigenden Zahl der Liebhaber sächsischer Biere außerhalb der Landesgrenzen des Freistaates, kann die sächsische Brauwirtschaft einen weiteren Zuwachs ihrer Produktion verzeichnen. Und das trotz des bundesweit sinkenden Bierkonsums. Wenn auch die Steigerungsraten den zweistelligen Bereich von 1993 und 94 nicht mehr erreichen werden.
Mit 8 Millionen Hektoliter Bierausstoß in seinen 75 Braustätten ist der Freistaat Sachsen nach Nordrhein-Westfalen und Bayern der drittgrößte Bierhersteller in Deutschland. Nirgendwo wird jährlich pro Einwohner mehr Bier gebraut: nämlich über 195 Liter! Daraus leitet sich auch die höchste Biersteuerrate ab: der sächsische Finanzminister freut sich jährlich über eine Biersteuer von über 70 Millionen Euro.
Die Entwicklung der sächsischen Brauwirtschaft als wirtschaftliche Größe kann insbesondere im letzten Jahresdutzend nachvollzogen werden:
- die Zahl der Brauereien hat sich von 32 auf 75 mehr als verdoppelt
- die Bierherstellung hat sich auf 183% gesteigert; „Bier ist wie kaum ein anderes Produkt heimatgebunden“,
- die Produktivität in den Brauereien hat sich durch Investitionen auf über 330% erhöht; „... das ist deutscher Spitzenwert“,
- der Gesamtumsatz hat sich seit 1992 fast verdoppelt; „... trotzdem bleibt der problematische Trend zum Billigbier“.